Kategorien
Reden

Redebeitrag 18.09.20

Auftakt der #Tarifrebellion

Liebe Freund*innen,

wir vom Frauen*streik Bündnis Frankfurt stehen solidarisch an der Seite der Beschäftigten im öffentlichen Dienst! Für uns ist nicht erst seit gestern klar, dass unsere öffentliche Daseinsvorsorge das Rückgrat unserer Gesellschaft ist. Nicht zuletzt während der Corona-Pandemie zeigt sich, wie wichtig ein gut aufgestellter Öffentlicher Dienst ist. In Gesundheitsämtern, Krankenhäusern, Kitas, Schulen und anderswo wird systemrelevante, verantwortungsvolle Arbeit geleistet. Gerade diese Sorgearbeit, die noch immer größtenteils von Frauen* geleistet wird, muss stärker anerkannt und aufgewertet werden! Sie ist der Sockel unserer Gesellschaft, die Grundlage der Wirtschaft und macht unser Zusammenleben erst möglich. 

Vom Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen sind insgesamt etwa 2,7 Millionen Beschäftigte direkt betroffen. Trotz gestiegener Ansprüche an den öffentlichen Dienst wurde in den letzten 20 Jahren erheblich Personal abgebaut. Die Bürger*innen erleben hautnah, dass im Vergleich zum Jahr 2000 mehr als eine viertel Million Beschäftigte weniger für sie da sind. Dies wurde auch während der Corona-Pandemie nicht nur im Gesundheitsbereich deutlich, sondern der gesamte öffentliche Dienstleistungsbereich ist an vielen Orten nur noch eingeschränkt leistungsfähig.

Gleichzeitig wurde während Corona ein Teil der Arbeit sichtbarer, der sonst unsichtbar bleibt. Wir haben die Arbeit derjenigen gesehen, für die Corona auch während des Lockdowns keine Pause erlaubte. Plötzlich hatten die einen viel Zeit und nix zu tun und die anderen wussten gar nicht, wo oben und unten ist, wo anfangen und aufhören, wohin mit den Kindern, und zu allem Überfluss wurden für einige die Arbeitszeiten krisenbedingt ausgeweitet. Sie wurden zu „Held*innen“ erklärt, die Kolleg*innen in den Krankenhäusern, in der Pflege und andere, sollten beklatscht werden. Bekommen haben sie dafür meist nix außer noch mehr Arbeit und noch weniger Zeit.

In vielen Bereichen des öffentlichen Diensts ist Dauerbelastung nichts Neues. Unterbezahlung, Unterbesetzung und schlechte Arbeitsbedingungen sind oft „normal“. Im Jahr 2019 machten die Beschäftigten in Deutschland rund 969 Millionen (knapp eine Milliarde) bezahlte und (ebenso viele) rund 957 Millionen unbezahlte Überstunden. Die meisten unbezahlten Überstunden fielen vor allem im Öffentlichen Dienst an, dort vor allem in Krankenhäusern, Pflegeheimen, Kitas und Schulen. Gerade hier arbeiten besonders viele Frauen* (und queere Personen). Dieselben, die dann auch noch vor und nach der Lohnarbeit den Großteil der Sorgearbeit zuhause übernehmen. Und gerade diese Frauen* wissen: Das ganze Leben arbeiten, das kann es nicht sein. Nicht grundlos fordern die Pflegekräfte seit Jahren, dass ihr „frei“ ihnen gehören soll. Wir wollen nicht mehr, sondern weniger Arbeit! Wir wollen, dass unsere Arbeit gesehen, gewertschätzt und angemessen bezahlt wird.

Wir stehen hier und zeigen: Wir lassen uns nicht vereinzeln und spalten. Weder in diejenigen, die die Öffis fahren und die sie benutzen, die die Kinder betreuen und deren Kinder betreut werden, noch in diejenigen, die pflegen und deren Angehörige gepflegt werden. Wir sehen einander und sind voneinander abhängig. Wir brauchen einander und sind füreinander da –​​​​​​​ Wir stehen zusammen!

Die Arbeitgebenden nehmen die aktuelle Wirtschaftskrise derzeit oft zum Anlass, um uns Arbeiter*innen die Krise bezahlen zu lassen, während sie ihre Profite verteidigen und auf die krisenbedingt leeren Kassen verweisen. Seien es Massenentlassungen oder jahrelange Kürzungspolitik im öffentlichen Dienst: Die Arbeiter*innenklasse braucht eine gemeinsame Antwort auf diese Angriffe. Wir lassen uns nicht gegeneinander ausspielen. Für uns ist klar: Für diese Krise zahlen wir nicht, im Gegenteil: Für dieses System sind wir unverzichtbar –​​​​​​​ ihr braucht uns, und wir sind MEHR wert! Kein Arbeitskampf ohne Feminismus und kein Feminismus ohne Arbeitskampf!

Lasst uns gemeinsam streiken und um das gute Leben für ALLE kämpfen!