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Forderungen zum 6. und 8. März 2020

Wir wollen selbstbestimmt leben. Anerkennung für unsere Arbeit. Ein Ende der kapitalistischen und patriarchalen Ausbeutung. Ein Leben ohne Gewalt und Krieg. Eine Umverteilung von Ressourcen, Macht und Teilhabe. Wir wollen nichts weniger als einen grundlegenden Systemwandel.

Unsere Forderungen zum 6. März

Wir sind Frauen* und Queers aus vielen Ländern und mit unterschiedlichen Erfahrungen. Einige von uns haben Krieg, Flucht und Vertreibung erlebt, andere arbeiten prekär oder pflegen unbezahlt Kinder und Angehörige. Was uns alle vereint, sind Gewalterfahrungen: Ob körperlich, sexualisiert, psychisch, symbolisch oder ökonomisch, uns wird aufgrund unseres Geschlechts alltäglich und systematisch Gewalt angetan. Weltweit ist jeden Tag Frauen*kampftagfür Grundrechte, Anerkennung, Selbstbestimmung, Freiheit und Leben. Wir wollen keine Angst mehr haben, keine Unterdrückung mehr erleben und unter keinen Diskriminierungen mehr leiden: Frau* sein darf kein Nachteil sein!
Wir fordern die Anerkennung und Einführung des Straftatbestands Feminizid. Die Morde an Frauen* sind keine „Beziehungstaten“ oder „Familiendramen“. Feminizid ist Mord und gehört ins Strafgesetzbuch! Wir sagen: Keine mehr! 
Wir fordern die radikale Bekämpfung sexualisierter Gewalt. Wir haben es satt, dass Frauen* und Mädchen* sich von Kindheit an Gedanken darüber machen müssen, was sie anziehen, was sie sagen und wie sie sich verhalten, um keine Gewalt zu erfahren. Der Kampf gegen diese Gewalt ist keine Aufgabe der Opfer, sondern die Verantwortung unserer Gesellschaft.
Wir fordern eine präventive und entschlossene Politik gegen Gewalt an Queers*. Täglich sind Queers* mit der Ermordung von Menschen ihrer Community, Hass und Gewalttaten konfrontiert. Auch in Deutschland ist die Zahl polizeilich erfasster Delikte gegen die sexuelle Orientierung in den letzten zwanzig Jahren stetig angestiegen. Hass und Gewalt aufgrund der sexuellen Identität müssen ein Ende haben!
Wir fordern die Abschaffung von strukturellem und institutionellem victim blaming und slut shaming, genauso wie die Verharmlosung von revenge porn, stalking und und rape culture in den Medien, im Gericht und überall. Wir akzeptieren keine Verharmlosung von Vergewaltigungen und Gewalt an Frauen*! Eine Frau* gehört nur sich selbst. Und Nein heißt Nein! Schweigen heißt kein Konsens!
Wir fordern Schutz, umfassende Unterstützung und Hilfe für Gewaltopfer und mehr Frauen*häuser. Mehr sichere Räume für alle* – unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus und Einkommen. Auch in Frankfurt muss die Istanbul-Konvention umgesetzt werden!
Wir fordern eine gendersensible Sprache als sprachliche Norm. Sexismus darf nicht geduldet werden! Sprache beeinflusst Taten und schafft Wirklichkeit. 
Wir fordern Beratungs-, Therapie-, und Selbstverteidigungsangebote als Standard in Institutionen und Betrieben, sowie präventive Angeboten zu kritischer Männlichkeit und Täterarbeit. Wir verlangen, dass alle Frauen* und Queers einen rechtlichen Anspruch auf Interessensvertretung in allen Institutionen und Betrieben haben.
Wir fordern die Abschaffung der frauen*feindlichen §§ 218 und 219a Strafgesetzbuch! Schwangerschaftsabbrüche müssen entkriminalisiert werden. Wir fordern die bedingungslose Kostenübernahme von Schwangerschaftsabbrüchen und Verhütungsmitteln sowie anonyme, freiwillige Beratungsangebote. Die gynäkologische Gesundheitsversorgung für Frauen* muss gewaltfrei und wohnortnah, und Verhütungsmittel müssen für alle sicher und kostenfrei sein. Und Fundis haben vor Beratungsstellen nix zu suchen!
Wir fordern ein Ende der Gewalt unter der Geburt! Dazu gehören eine interventionsarme Geburtshilfe und eine 1:1-Betreuung unter der Geburt. Wir brauchen ausreichend viele, wohnortnahe Geburtsstationen und -häuser und mehr Personal in der Geburtshilfe. Frauen* dürfen bei der Geburt nicht Opfer verfehlter gesundheitspolitischer Sparmaßnahmen werden! 
Wir fordern die volle Selbstbestimmung unserer körperlichen und sexuellen Identitäten! Dazu gehört auch die Geschlechtszuschreibung ohne Diagnose und die volle Anerkennung von LSBTI* und non-binaries. Wir werden uns nicht länger von den Gesetzen und Normen der patriarchalen Gesellschaft vereinnahmen und unser Verhalten von ihnen diktieren lassen. Wir fordern gendersensible und empowernde Sexualerziehung sowie eine angemessene Ausbildung von Erziehungs- und Lehrkräften. Our bodies, our choices!
Wir fordern eine geschlechtersensible Medizin, die Frauen* und Queers und ihre Körper gleichberechtigt in den Blick nimmt und sich nicht weiter an der männlichen Norm orientiert. Medikamente wirken anders bei Frauen*, unsere Symptome sind oft andere, manche Ärzt*innen wissen nicht, wie unsere Körper funktionieren, die Mehrheit der Studien gehen vom mittelalten cis-Mann aus. Das ist brandgefährlich!
Wir fordern umfassende reproduktive Gerechtigkeit. Jede*r Einzelne hat das Recht, selbstbestimmt und frei über den eigenen Körper und die eigene Sexualität zu entscheiden. Dies bedeutet auch die freie Entscheidung zu Elternschaft, die Anerkennung sozialer Verwandtschaften, das Recht über die Anzahl und den Zeitpunkt einer Geburt zu entscheiden, sowie über die dafür nötigen Informationen, Kenntnisse und Mittel zu verfügen. Wir wenden uns gegen die Einschränkung reproduktiver Rechte marginalisierter Menschen, egal ob von Frauen* mit Beeinträchtigung oder die Benachteiligung nicht-weißer und ökonomisch schlechter gestellter Frauen* und Queers, Geflüchteter.
Wir fordern sofort die Bedrohung durch die deutsche Rüstungs- und Außenpolitik zu beenden! Dazu gehört ein Stopp aller Rüstungsexporte, eine Umkehr in der rassistischen deutschen und europäischen Politik der Abschottung und die Entkriminalisierung der Seenotrettung. 
Wir fordern ein Bewegungs- und Bleiberecht für alle*! Frauen* und Queers müssen weltweit um Grundrechte kämpfen, sie flüchten vor Krieg, Gewalt und den Folgen des Klimawandels. Asylsuchende unterstützen, nicht gefährden! Wir stellen uns gegen jede Abschiebung.  Kein Mensch ist illegal!
Wir fordern ein nachhaltiges Wirtschaften und ein gesundes Leben für alle! Ob im globalen Süden, in Rojava oder bei uns:  Klimawandel, Kapitalismus und Patriarchat sind aufs engste miteinander verbunden. Die Klimakrise verstärkt die bestehenden Ungerechtigkeiten, Frauen* sind zuerst und stärker von den Folgen der Klimakatastrophe betroffen. Ob es den alten weißen Machtstrukturen gefällt oder nicht: Gemeinsam sind wir Frauen* dabei eine neue, solidarische Weltgemeinschaft aufzubauen. Denn keine Klimagerechtigkeit ohne Gleichberechtigung! 
Wir fordern das Ende der strukturellen Gewalt von Patriarchat und Kapitalismus gegen Frauen*! Schluss mit der ökonomischen Ungleichheit: Lohnunterschiede müssen abgeschafft, Arbeitsbedingungen verbessert und Prekarität bekämpft werden. Wir fordern die Befreiung von allen Abhangigkeitsverhältnissen und ein Ende der Benachteiligung von Frauen* bei der sozialen Absicherung! Die finanzielle Prekarität von Frauen* kann nicht bekämpft werden, wenn Frau*sein zahlen heisst. Wir fordern kostenfreie, nicht giftige Periodenartikeln und die Anerkennung von Arbeitsunfähigkeit bei Menstruationsbeschwerden/-schmerzen.
Wir kämpfen gegen Sexismus, gegen Misogynie, Lesbophobie und Transphobie. Wir kämpfen gegen Rassismus und jeden Antisemitismus, gegen jede Art von Diskriminierung und Unterdrückung marginalisierter Personen, und gegen alle, die diesen Hass verbreiten und normalisieren! Wir* sind keine schwachen Objekte. Am 8. März und jeden Tag: Gemeinsam leisten wir Widerstand!

Unsere Forderungen zum 8. März

Überall auf der Welt halten wir Frauen* den Betrieb am Laufen, indem wir all die Aufgaben schultern, die gesellschaftlich notwendig, aber mit nur wenig Geld und Anerkennung verbunden sind. Wir stellen die Mehrheit der working poor, wir sind bezahlte Sorge-Arbeiter*innen und übernehmen in Familien überwiegend die unbezahlte Sorgearbeit. 

Wir kritisieren die vergeschlechtlichte Arbeitsteilung im Kapitalismus! Die Sorgearbeit, die wir leisten und auf der unsere Gesellschaft basiert, wird nicht als solche anerkannt. Sie bleibt unsichtbar und unbezahlt. Entlohnt wird nur ein Teil unserer Arbeit und der auch noch schlechter als der unserer männlichen Kollegen. Wir befinden uns seit Jahren in einer Sorgekrise: Pflegenotstand, Kita-Krise, Hebammenmangel, … Uns reicht’s!
Wir fordern die finanzielle und gesellschaftliche Aufwertung und Anerkennung der Sorgearbeit in unserer Gesellschaft, egal ob im Haushalt, in der Pflege von Alten und Kranken, der Fürsorge für Kinder oder in der Bildung von der Kita bis in die Universität.
Wir fordern: Sorgearbeit darf nicht dem Profitprinzip unterliegen! Gewinnstreben, Spekulation, Druck, Zeitnot, prekäre Arbeitsverhältnisse, Sparen auf Kosten von Menschen haben in der Sorgearbeit nichts zu suchen, nicht in der Kinderbetreuung, nicht im Krankenhaus, nicht in der ambulanten oder privaten Pflege!
Wir fordern mehr, gute und kostenfreie Kinderbetreuungsplätze und mehr Erzieher*innen: Schluss mit dem Hürdenlauf zum Kita-Platz! Für jedes Kind sollte – unabhängig vom Aufenthaltsstatus – ein Betreuungsplatz zur Verfügung stehen. Hierfür braucht es mehr Personal und mehr Wertschätzung: Die Löhne in Sozial- und Erziehungsberufen müssen massiv angehoben werden.
Wir fordern: Pflegenotstand beenden! Die Arbeiter*innen in der Pflege skandieren derzeit im Rahmen der Tarifauseinandersetzungen „Mein Frei gehört mir!“ Natürlich muss ihnen ihre Freizeit zur Erholung gehören! Es spricht für sich, dass sie ihre Freizeit verteidigen und für eine Verkürzung ihrer Arbeitszeit kämpfen. Keine sollte um ihr „frei“ kämpfen, vor Burnout den Job hinschmeißen müssen oder in privaten Pflegeverhältnissen in der 24-Stunden-Pflege zuhause ausgebeutet werden. Das Fallpauschalen-System muss abgeschafft werden, wir brauchen mehr Pflegepersonal und bessere Arbeitsbedingungen. 
Wir fordern ein Ende der rassistischen Arbeitsteilung der Sorgearbeit! Feminisierte Migration darf nicht als Lösung betrachtet werden, um die Sorgelücke zu füllen. Sorgearbeit wie das Pflegen, Betreuen und Putzen wird zunehmend an Migrant*innen ausgelagert und entlang transnationaler Sorgeketten neu verteilt. Kliniken, Kita-Träger und Privatpersonen versuchen den Engpässen des deutschen Systems zu entkommen, indem die Sorgearbeit an Migrant*innen weitergegeben wird. Oft werden Sorge- und Haushalts-Arbeiter*innen zu Billiglöhnen und ohne soziale Absicherung angeworben, Asyl‐, Arbeitsrecht und Diskriminierungen bestimmen den Zugang. Knebelverträge sind keine Ausnahme. Viele migrantische Sorge-Arbeiter*innen leisten die schlecht bezahlte, prekäre Sorgearbeit irregulär. Sie arbeiten 24 Stunden am Stück an 7 Tagen die Woche in Privathaushalten und lassen hierfür ihre eigenen Kinder und Angehörigen zurück. Wir wollen keinen weißen Mittelschichts-Feminimus, der auf der Ausbeutung anderer basiert! 
Wir fordern Lohn und Wertschätzung auch für unbezahlte Haus- und Sorgearbeit. Für eine echte Umverteilung aller Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern! Dafür brauchen wir eine radikale Arbeitszeitverkürzung auf maximal 30 Stunden pro Woche – bei vollem Lohnausgleich! Für gleichberechtigte Verhältnisse fordern wir die Abschaffung des Ehegattensplittings und der staatlichen Privilegierung der Ehe, eine paritätische Aufteilung von Elternzeit und ein Elterngeld, das eine gleichberechtige Aufteilung der Sorgearbeit unabhängig vom Einkommen für alle ermöglicht. Kindererziehungs- und Pflegezeiten müssen bei der Rente voll anerkannt werden.
Wir fordern die höhere Wertschätzung und grundsätzliche Gleichverteilung von Sorgearbeit auch in Strukturen, in denen wir uns politisch organisieren und engagieren. Gemeinsam und solidarisch Politik machen können wir nur, wenn unsichtbare organisatorische und Sorgearbeit nicht immer von Frauen* erledigt wird, während die inhaltlichen und gestalterischen Aufgaben von Männern monopolisiert werden. Wir forden tatsächliche und praktische feministische Solidarität!
Wir fordern einen grundlegenden Wandel der Organisation von Sorgearbeit! Gute Sorge-Strukturen sind für uns alle die Grundlage eines guten Lebens. Sie sind das Zentrum der Gesellschaft und dürfen weder ausschließlich „staatliche Leistung“ noch Angelegenheit der „Kleinfamilie“ – und in der oft: der Frauen* – sein. Wir fordern hierfür neben einer deutlich ausgebauten Daseinsvorsorge und dem massiven Ausbau sozialer Infrastruktur die Demokratisierung und Selbstverwaltung der Sorgearbeit. Wir brauchen die Beteiligung aller Menschen in Sorgebeziehungen an den sie betreffenden Entscheidungen und eine gemeinschaftliche, solidarische Organisierung von Sorgearbeit, die sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert – dezentral, vor Ort, in unseren Nachbarschaften.
Der soziale Frieden ist auf unseren Rücken errichtet worden. Wir haben es satt, ihn aufrecht zu erhalten. Wir sind wütend und werden uns nicht weiter vereinzeln lassen: Wir streiken gemeinsam, queer und feministisch!