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Reden

Redebeitrag 08.03.2020

Streikversammlung

Wir begrüßen euch zur feministischen Streikversammlung auf dem Römerberg. Wir sind zusammengekommen am heutigen internationalen Frauen*kampftag, um gegen Ungerechtigkeit, Ausbeutung und Gewalt zu protestieren. Wir sind hier, um uns gegen das Patriarchat aufzulehnen. Dazu nehmen wir uns den Raum, solidarisieren und vernetzen uns.

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Schön, dass ihr da seid! Wir wollen heute gemeinsam mit euch diese feministische Streikversammlung gestalten. Dies ist keine Kundgebung. Heute wird es keine klassischen Redebeiträge geben. Stattdessen wollen wir kämpferisch zusammen sein und eure Stimmen hören, warum es Zeit ist, zu streiken. Dabei wollen wir uns auch die Erholung zurückerobern und gemeinsam frau*lenzen. Für uns gehört dazu Kaffeetrinken, was ihr dort machen könnt. Nägel lackieren, dahinten. Außerdem gibt es musikalische Beiträge vom SheChoir und dem Roten Stern Chor. Vorhin und bereits am Freitag haben wir schon Rythm of Resistance gehört. An dieser Stelle ein großes Dankeschön für eure Unterstützung.

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Wir, das ist das Frauen*streik-Bündnis Frankfurt, das sich im Herbst 2018 gegründet hat. Wir sind Teil des bundesweiten Frauen*Streik-Bündnisses, dessen Ziel es ist feministische Kämpfe um den 8. März und darüber hinaus mit dem Mittel des feministischen Streiks neu zuzuspitzen. Wir streben dabei eine breite Verankerung von Forderungen der Frauen*bewegung in der Gesellschaft an. Deutschlandweit sind letztes Jahr mehr Frauen* und Queers auf die Straße gegangen, als Jahre zuvor. Allein in Frankfurt waren 3.500 Teilnehmer*innen bei der Demo 2019.

Wir verstehen uns außerdem als Teil der internationalen Frauen*kampfbewegung. Wir sind inspiriert von den massenhaften Protesten in Argentinien und Chile. Wir sehen in der Organisationskraft der kurdischen Frauen* ein Vorbild. Und schließen uns den Streikbewegungen in Spanien und der Schweiz an.

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Wir streiken, weil Streik Alltägliches sichtbar macht, weil gewohnte Vorgänge ins Stocken geraten, unterbrochen werden, nicht funktionieren – und damit unbequem werden! Wir streiken heute gerade weil Sonntag ist, denn an diesem sogenannten „freien“ Tag wird die Doppelbelastung von Frauen* und Queers besonders deutlich. Unentlohnte Hausarbeit, schlecht bezahlte Care-Arbeit finden JEDEN Tag statt: So leisten Frauen* und Mädchen weltweit täglich mehr als 12 Milliarden Stunden unbezahlte Care-Arbeit – auch und GERADE an einem Tag, der eigentlich als Ruhetag gilt: Kinder müssen auch Sonntags betreut werden, Alte und Kranke gepflegt, Essen gekocht werden. In Krankenhäusern, Altenheimen und so weiter wird Schichtdienst geschoben. Unser Streik soll sichtbar machen, wer und unter welchen Bedingungen normalerweise die Arbeit verrichtet  – die wir heute niederlegen! Wer verrichtet die Arbeit, so dass andere ruhen können? Frauen* und Queers – und insbesondere migrantisierte Frauen*, die die weiße Schein-Emanzipation erst ermöglichen. Streiken dient der Reflexion und Diskussion darüber, wer in Beziehungen, Familien und der Gesellschaft welche Tätigkeiten ausübt – und wie spezifische Belastungen von Frauen* aussehen! Im Kapitalismus ist Streik das einzige Medium, das wirklich weh tut, ökonomisch schadet und somit Druck ausübt. Deshalb rufen wir alle Frauen* und Queers dazu auf: Lasst die Arbeit liegen! Denn wenn wir streiken, steht die Welt still!

Unser Feminismus steht aber nicht im luftleeren Raum: In der Nacht zum 19. Februar sind in Hanau neun Menschen ermordet wurden. Sie sind Opfer eines Rassisten und eines rassistischen Systems geworden. [Rede + Schweigeminute]

Vielen Dank! Wir wollen auch hier einen Ort des Gedenkens schaffen und haben einen Pavillon aufgebaut, um an die Ermordeten zu erinnern. Wir stehen zusammen, denn unser Feminismus ist antirassistisch. Unser Widerstand muss sichtbar und kontinuierlich sein!

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Heute, hier und jetzt ist der Höhepunkt unserer feministischen Streikwoche. Wir haben seit letztem Wochenende mit verschiedenen Gruppen, Personen und Bündnissen zusammengearbeitet – denn wir ziehen an einem Strang!

In den vergangenen sieben Tagen haben wir zum Beispiel im Synnika eine Fotoausstellung zu den Ni Una Menos Protesten in Argentinien gezeigt. Dort fanden Input- und Diskussionsveranstaltungen zum Thema Feminizide statt. Feminizide, das sind patriarchal motivierte Morde an Frauen*. Dieses Thema haben wir auch an unserem Aktionstag gegen sexualisierte Gewalt vergangenen Freitag aufgegriffen, als wir zusammen mit Fridays for Future auf der Straße waren und die Performance der chilenischen Gruppe Las Tesis aufgeführt haben. Samstag haben wir uns dann der Demo des kurdischen Frauenrats Amara angeschlossen.

Heute steht für uns die bezahlte und unbezahlte Sorgearbeit sowie der emotional work loadim Fokus: Dazu gab es verschiedene Streikcafés, in denen gegessen, diskutiert und Protestmaterial erstellt wurde. Schön, dass so viele ihren Weg dorthin gefunden haben!

Von den Streikcafés sind wir aus verschiedenen Richtung nun hierher gekommen, um uns zu versammeln und um diesem Streik gemeinsam Stärke zu verleihen! Wir fragen EUCH: Warum seid ihr hier? Was sind eure Gründe zu streiken? – Denn es gibt so viele! Gleich wollen wir eure Gründe mit Megafonen in einer „Ich-Streike-weil-Aktion“ über den Platz schreien. In der ganzen Republik werden heute Stühle mit der Aufschrift ‚ich streike‘ auf die Straße gestellt – darum haben wir auch hier an drei Orten Stuhlkreise aufgebaut. Setzt euch auf die Streikstühle, um euren Streik zu symbolisieren. Wenn ihr möchtet, kommt zu den Megafonen in der Mitte des jeweiligen Kreises und bringt in ein bis zwei Sätzen eure Streikgründe zum Ausdruck. In dieser Aktion geht es um Frauen* und queere Personen – das ist unser Tag! Wir bitten Cis-Männer daher, nicht in die Streikstuhlkreise zu kommen! Die Aktion werden wir heute in zwei Runden machen. Bevor wir mit der ersten Runde loslegen, habt ihr noch ein wenig Zeit, euch Gedanken zu machen, während der Rote Stern Chor ein paar Lieder singt.