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Reden

Redebeitrag 01.05.21

1. Mai Tag der (Sorge-)Arbeit

They say it is love. We say it is unwaged work.

Sie nennen es Liebe. Wir nennen es unbezahlte Arbeit.

Seit Jahrzehnten kämpfen Care-Arbeitende und feministische Bewegungen gegen die fehlende Anerkennung und für eine Umverteilung von Sorgearbeit, doch verändert hat sich wenig. Die unbezahlte Care-Arbeit durchzieht alle Bereiche des täglichen Lebens: Sie findet im Privaten genauso wie in der Lohnarbeit oder in politischer Arbeit statt und umfasst z.B. Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen, Haushaltsarbeit, eben das Kümmern um die vielen Sachen, die Tag für Tag anstehen. Wir fordern deshalb, bei Arbeitskämpfen mitzudenken: Arbeit ist nicht nur das, was innerhalb des kapitalistischen Systems bezahlt und in die Rente mit einberechnet wird, sich durch Entlohnung und eine Überrepräsentation von Männern im Vergleich zu Frauen charakterisieren lässt. Diese Definition von Arbeit verdeckt die prekäre Situation und Überlastung von Frauen* und Queers und sieht nicht, was diese tagtäglich und häufig in häuslicher Isolation leisten. Care-Arbeit wird ausgebeutet, um den Laden am Laufen zu halten – und diese Ausbeutung betrifft vor allem uns Frauen* und Queers! Darunter insbesondere auch migrantische Personen, die die weiße Schein-Emanzipation an vielen Stellen erst ermöglichen. Und auch im privaten Raum wird ihnen die bezahlte und unbezahlte Sorgearbeit zugeschrieben und überlassen. Dabei stehen unbezahlte und bezahlte Care-Arbeit strukturell miteinander in Verbindung: Auf der einen Seite der Medaille die Care-Tätigkeiten, die unbezahlt und unsichtbar sind, auf der anderen die Care-Arbeit, die schlecht entlohnt wird, an unsichere Arbeitsverhältnisse gebunden ist, in Vereinzelung stattfindet und somit immer weiter prekarisiert wird.

Sie nennen es Liebe, wir nennen es unbezahlte und prekäre Care-Arbeit.

Die geschlechtliche Arbeitsteilung, die Frauen* den Haushalt und Care-Arbeit als vermeintlich natürliches Tätigkeitsfeld zuschreibt, ist durch die Trennung von Haushalt und Betrieb historisch gewachsen und damit alles andere als natürlich. Die Vorstellung der häuslichen Sphäre als weiblich konnotiertem Arbeitsbereich, die stets im Gegensatz zur männlich dominierten außerhäuslichen Erwerbsarbeit konstruiert wird, stellt die Voraussetzung für das kapitalistische Wirtschaftssystem dar. Die Unter- oder gänzlich ausbleibende Bezahlung von Care-Arbeit ermöglicht es, dass die Kosten der Reproduktion der Arbeitskraft zugunsten der Profitmaximierung auf ein Minimum reduziert werden. Solange diese sexistische Arbeitsteilung besteht, werden sich die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern fortschreiben. Die binäre Logik des kapitalistischen Wirtschaftssystems unterdrückt damit nicht nur Frauen*, sondern auch all jene Personen, die sich nicht in das gesellschaftlich konstruierte binäre Schema Frau-Mann einordnen lassen wollen. Es ist deutlich, dass der Tag der Arbeit auch ein Tag sein muss, an dem die vergeschlechtlichte Organisation von Arbeit – die mit einer klassenbasierten und rassifizierten Trennung einhergeht – in unserer Gesellschaft zur Debatte steht.

Sie nennen es Liebe, wir nennen es unbezahlte und prekäre Care-Arbeit.

Im globalisierenden Kapitalismus der heutigen Zeit wird Sorgearbeit auf Familien und Gemeinschaften ausgelagert und gleichzeitig deren Fähigkeit, sie zu leisten, dadurch verringert, dass immer mehr Frauen in die Erwerbsarbeit geholt werden. Weiterhin wird unsichtbar gemacht, dass die tradierte Arbeitsteilung unter dem Deckmantel einer steigenden Frauenerwerbsbeteiligung fortbesteht und die Erwerbsarbeit nun zusätzlich zur ungleich verteilten Care-Arbeit geleistet wird. Zudem ist ein erheblicher Anteil des Anstiegs der Frauenerwerbsquote auf die vielen in Teilzeit beschäftigten Frauen zurückzuführen. Das Ergebnis ist, inmitten wachsender Ungleichheit, eine zweiteilige Organisation der sozialen Reproduktion: Diejenigen, die dafür bezahlen können, lagern die Arbeit aus, oft an migrantisierte Menschen, für diejenigen, die es nicht können, wird die Arbeit privatisiert – alles beschönigt durch das noch modernere Ideal der ‚Zwei-Verdiener-Familie‘.“

Es müssen jedoch alternative Wirtschaftsmodelle diskutiert werden, welche die Emanzipation jenseits einer Vollzeit-Erwerbstätigkeit der Geschlechter sehen. Hierfür scheint es unabdingbar, die geschlechterhierarchische Teilung in produktive und reproduktive Arbeit zu durchbrechen. Für so eine Transformation reicht es nicht, Care-Arbeiter*innen zuzuklatschen, über minimale Lohnerhöhungen zu sprechen oder Männern zuzujubeln, wenn sie die Spülmaschine ausräumen. Die Aufhebung der Teilung der Arbeit in Produktion und Reproduktion würde natürlich bedeuten, dass Sorgearbeit anders unter den Geschlechtern verteilt ist, aber das funktioniert nur, wenn das Verhältnis der Menschen untereinander, die Beziehungen und Sorgebeziehungen zueinander grundsätzlich anders strukturiert werden. So, wie die Sorgeaktivitäten im gegenwärtigen kapitalistischen System organisiert sind, schaden sie systematisch denen, die sie ausführen. Die Strukturierung der Menschen in Beziehungen zueinander, die kaum ein menschliches Verhältnis zueinander zulassen, muss transformiert werden in ein Verhältnis, in dem die Sorge umeinander im Vordergrund steht und von allen geteilt wird. In diesem neuen Verhältnis ist Sorge nicht mehr in ein binär-zweigeschlechtliches System gepresst und nicht mehr warenförmig organisiert. Der Arbeitskampf enthält also immer auch den Kampf um Sorge und die gemeinsame Frage: In welcher Welt wollen wir leben? Wie wollen wir zusammenleben und was soll unsere Beziehungen zueinander strukturieren?

Sie nennen es Liebe: Das bisschen Hausarbeit, die Dankbarkeit, die man doch von den Kindern zurückbekommt, die Chance, mit Menschen zusammenzuarbeiten. Wir nennen es unbezahlte Arbeit und prekäre Arbeit: Ständig mitzudenken, wann das Kind wo zu sein hat, die neuen Kolleg*innen ins Team einführen, fünf Minuten länger mit der alten, pflegebedürftigen Person zu sprechen.

Also fordern wir:
  • Mehr Personal, bessere Gehälter und Arbeitsbedingungen für alle, die im Care-Bereich arbeiten
  • Eine radikale Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich
  • Eine repressions- und barrierefreie Grundsicherung
  • Ausbau von Schutzräumen für Frauen* und Queers, Wohnungslose, Geflüchtete und Kinder
  • Eine höhere Wertschätzung und grundsätzliche Gleichverteilung von Sorgearbeit auch in Strukturen, in denen wir uns politisch organisieren und engagieren. Gemeinsam und solidarisch Politik machen können wir nur, wenn unsichtbare organisatorische und Sorgearbeit nicht immer von Frauen* erledigt wird, während die inhaltlichen und gestalterischen Aufgaben von Männern monopolisiert werden
  • Wir fordern tatsächliche und praktische feministische Solidarität!
  • Die finanzielle und gesellschaftliche Aufwertung und Anerkennung der Sorgearbeit in unserer Gesellschaft. Kindererziehungs- und Pflegezeiten müssen bei der Rente voll anerkannt werden. Für eine echte Umverteilung aller Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern!
  • Ein Ende der rassistischen Arbeitsteilung der Sorgearbeit! Feminisierte Migration darf nicht als Lösung betrachtet werden, um die Sorgelücke zu füllen

Sorgearbeit muss zum Ausgangspunkt für eine soziale und solidarische Transformation gemacht werden, dafür stehen wir hier heute mit unserem Careblock zum Tag der Arbeit!